23.10.2019
Die heutige Sitzung der Europäischen Zentralbank (ECB) brachte, wie angenommen, keine wesentlicheren Änderungen in der Einstellung der Währungspolitik. Es handelt sich letztendlich nach der Sitzung der ECB im September, bei der es zur Senkung des Diskont-Zinssatzes noch tiefer ins Negative (-0,50 %) kam und der Start der neuen Runde des Einkaufs von staatlichen Schuldverschreibungen der Länder der Eurozone im monatlichen Volumen von 20 Mrd. EUR mit dem Start ab November verkündet wurde, um einen logischen Schritt. Die Meinungsunterschiede im Rahmen der Gouverneure der ECB, die bereits während des Sommers offensichtlich waren und die auch ferner den Charakter der Währungspolitik bestimmen werden, sind auch nicht überraschend. Die Eurozone war und wird nie ein homogener Komplex sein, und auch in der nahen Zukunft kann man nicht erwarten, dass die einheitliche Währungspolitik allen ihren Mitgliedern passen wird. Sie wird nicht.
Die Sitzung der ECB im Oktober war zugleich die Letzte, bei der in der Rolle des Präsidenten M. Draghi auftrat. Über ihn als über jemanden zu reden, der die Eurozone vor dem Zerfall rettete, ist bis zum bestimmten Maß übertrieben, da er im gegebenen Zeitpunkt auch keine andere Möglichkeit hatte. M. Draghi machte an und für sich das, was erforderlich war, um den enormen Druck auf verschuldete Länder der Eurozone und auf die gemeinsame europäische Währung zu entlasten. Falls er dies nicht getan hätte, würde sich die Entwicklung des gemeinsamen Projektes mit der Bezeichnung Euro höchstwahrscheinlich in eine andere Richtung entwickeln.
Auf jeden Fall schrieb sich der italienische Zentralbanker bereits als Retter der Eurozone längst mit den denkwürdigen Wörtern ausgesprochen im Krisenjahr 2013 – ECB ist bereit alles zu tun, um Euro zu beschützten, und glaubt mir, es wird reichen (freie Übersetzung). Gleichzeitig schreibt sich M. Draghi allerdings in die Geschichte als derjenige ein, der nach acht Jahren in der Funktion die Währungspolitik der ECB im Zustand bestimmter Paralyse übergibt. Die Möglichkeit weiterer Expansion der Währungspolitik in der Eurozone stoßt nämlich an grundlegende Einschränkungen an, egal ob aus der Sicht negativer Sätze (je mehr die Sätze im Negativen sind, desto mehr wachsen negative Nebeneffekte), oder aus der quantitativen Freisetzung (Limit der ECB für das Halten von Schuldverschreibungen eines Landes in der maximalen Höhe von 33% ihrer gesamten Schuld).
Beim Anschauen der Erträge der staatlichen Schuldverschreibung von Portugal bis zu Estland und von Finnland bis zu Griechenland sind die Ergebnisse der Währungspolitik der ECB deutlich sichtbar. Der Ertrag der 10-jährigen griechischen Schuldverschreibung ist aktuell niedriger als der Ertrag der 10-jährigen Schuldverschreibung der USA. Die Erträge deutscher Schuldverschreibungen sind negativ bis zur Fälligkeit von 20 Jahren. M. Draghi verlässt somit die ECB mit klarer Botschaft – ECB machte alles, was erforderlich ist und noch ein bisschen mehr, und sie schaffte somit ideale Bedingungen für die fiskalische Expansion quer über die Eurozone. Nun ist der imaginäre Ball auf der Seite der europäischen Regierungen. Die vorgeschlagenen Staatshaushalte großer Länder der Eurozone wie Frankreich, Italien oder Spanien für das nächste Jahr stellen nicht gerade ein Beispiel der Enthaltsamkeit dar, es deutet allerdings alles darauf hin, dass die Europäische Kommission heuer zu öffentlichen Haushalten wesentlich nachsichtiger als letztes Jahr gegenüber Italien sein wird. Darüber hinaus ist es stets wahrscheinlicher, dass man an die mäßige fiskalische Expansion letztendlich auch in Deutschland herantritt. Die Frage ist, ob dies zur deutlicheren Belebung der Wirtschaft der Eurozone und zur Rückkehr der Inflation auf das Inflationsziel von 2% reichen wird. Die Antwort lautet, im nächsten Jahr bestimmt nicht.